Freie Tage, Duschen und Treppen

Es regnet. Es regnet schon den ganzen Nachmittag. Ich sitze im Trockenen. Jetzt. Das war nicht die ganze Zeit so. Deshalb bin ich gerade auch noch einmal glücklicher darüber, dass wir es vorgestern endlich wieder geschafft haben uns einen neuen Gastank für die Küche zu holen, sodass ich mir nach einer viel zu langen Woche endlich mal wieder einen heißen (und keinen nur lauwarmen in der Mikrowelle erwärmten) Kaffee machen konnte. Jetzt sitze ich also hier auf unserem Matratzen-Sofa anstatt zum CrossFit zu gehen, da ich nur wenig Lust habe mich ernsthaft zu erkälten. Dafür ist es aber vielleicht schon zu spät, nachdem ich vorhin im strömenden Regen Esther vom Kindergarten abgeholt habe, später dann mit dem Rad in eben jenem zur Sprachschule und danach nach Hause gefahren bin. Jetzt muss ich immer mal niesen. Mist. Egal, es war also auf jeden Fall richtig nicht noch zum Sport zu fahren. Außerdem habe ich so endlich mal Zeit von den letzten Tagen zu berichten.

 

Nach diesem etwas lang geratenen Intro fange ich jetzt mal an – die Toilettenpapierrolle griffbereit neben mir, da es hier leider tatsächlich keine Taschentücher gibt:

 

An unseren beiden freien Tagen der letzten Woche (wir haben dafür Samstag und Sonntag gearbeitet), sind wir nach Quito gefahren, um in der WG unserer Mitfreiwilligen zu übernachten. Donnerstagmorgen fuhren wir dann nach Mindo (ca. 2 Stunden entfernt). Dieser Ort (Stadt wäre als Begriff zu spendabel) ist wirklich reizend, aber die Natur um ihn herum noch viel mehr. Mindo liegt knapp 1500m tiefer als Quito und man kommt sich schon vor wie im Regenwald (aber wahrscheinlich auch nur, weil wir bis jetzt noch nicht im richtigen Regenwald waren). In der unmittelbaren Nähe gibt es einige wirklich schöne Wasserfälle (oke man merkt inzwischen, dass Wasserfälle hier in Ecuador eindeutig nicht selten sind, aber dennoch einfach immer wieder ein beliebtes Reiseziel), was den Tourismus dort maßgeblich antreibt. Außerdem kann man gut Aktivitäten wie Canoying, Canopy oder Rafting ausüben oder die unglaubliche Vielfalt an Schmetterlingen bestaunen. Wir entschieden uns an diesem Tag aber für die „Route der Wasserfälle“. Der Weg dorthin allein ist schon mal etwas anderes, denn man muss mit der Tarabita, einer mit einem Automotor betriebenen Seilbahn/Käfig mehr als 500m über eine recht tiefe, aber gänzlich bewaldete Schlucht fahren.

 

Hier ein Video:

Während unserer Wanderung von Wasserfall zu Wasserfall flatterten immer wieder die unterschiedlichsten Schmetterlinge an uns vorbei, wobei der Beeindruckendste wohl eindeutig ein mehr als handgroßer, leuchtend blauer war.

 

Zum Abschluss dieser kleinen Wanderung hielten wir dann nochmal am für uns schönsten der Wasserfälle und begaben uns hinein. Es war kalt. Und rutschig. Aber auch einfach ein tolles Gefühl mitten in diesem so klaren Wasser zu stehen und sich vom Wasserfall berieseln zu lassen. Ein solche Dusche im freien, werde ich in diesem Jahr wohl noch öfter aufsuchen und mich dann richtig darunter stellen – denn wer mich kennt, weiß, dass mich alles, was mit (sehr !) kaltem Wasser zu tun hat, ganz schön Überwindung kostet. Aber ich bin ja hier, um zu wachsen.

 

Gegen 15 Uhr – 2 Stunden bevor schon der letzte Bus zurück nach Quito fährt – fanden wir uns dann in Sicherheitsgurten und mit gelben Helmen auf den Köpfen auf der ersten Plattform der Canopy / Zipline - Strecke wieder. In der folgenden Stunde stürzten wir uns dann mal sitzend, mal als Superwoman/-man oder sogar mal kopfüber über diverse kleinere und größere Schluchten.
Als Erklärung: Das Prinzip des Canpoy / Ziplining ist im Prinzip das, was die meisten von uns vor allem aus dem Kletterwald als „letzte Abfahrt“ kennen; ein Drahtseil und 2 Rollen mit Karabiner an denen ein Gurt mit Mensch befestigt ist.


Ich muss sagen, das war schon ziemlich cool, vor allem da es wirklich mehrere Strecken hintereinander waren und nicht nur eine einzige, wie ich es in Baños schon erlebt hatte, und zwischendurch musste man immer ein Stück durch das Gelände laufen.
Jetzt hätte ich Euch natürlich gerne ein paar adrenalingeladenen Aufnahmen gezeigt, aber leider hat Swantjes Action-Kamera das ganze Spektakel nicht aufgenommen – das nächste Mal aber!

 

 

Wir waren 20 Minuten in unserem Bus zurück nach Quito und die Regenzeit fing an, sich von ihrer besten und heftigsten Seite zu zeigen. Sturm, Regen und Gewitter. Und der Bus wirkte nicht so ganz dicht, denn es zog an meinen Füßen, die noch nass waren vom mehrmaligen Überqueren des Flusses der Wasserfälle am Nachmittag. Keine schöne Busfahrt, aber so war die heiße Dusche in der WG der Quiteños noch schöner, als sowieso schon.

Eigentlich war für Freitag dann die Besteigung des Vulkans Pichincha geplant, aber da Lukas schon am Vorabend krank nach Hause gefahren war, sich Swantje auch nicht so danach fühlte und ich das nicht alleine machen wollte, wurde es ein Tag in der Altstadt von Quito.

 

Wie schon bei einem meiner ersten Einträge erwähnt, hat es mir das dort herrschenden Flair der alten, meist bunt gestrichenen Kolonialbauten wirklich angetan. Unser erstes Ziel inmitten des centro histórico war die Basilika. Eigentlich ein klassisches gotisches Bauwerk, aber mehrere besondere Details haben es mir besonders angetan: die Wasserspeier. Keine klassischen kleinen, dicken Dämonen mit Flügelchen – nein: als Wasserspeier dienen hier verschiedenste Tiere, die auf dem ecuadorianischen Festland, wie auch auf den Galápagos Inseln beheimatet sind.


Für 2$ konnten wir ihren Turm erklimmen – über mehrere luftige Gittertreppen, die wohl teilweise eher als Leitern zu bezeichnen wären – und dann die Aussicht über die wirklich riesige Stadt genießen. Die Phrase „tiene largo pero no tiene ancho“ („hat Länge, aber keine Breite“), die ich schon im Spanisch-Unterricht in Deutschland – damals als Charakteristik von Chile – gelernt hatte, lässt sich wirklich sehr gut auf Quito übertragen. Man konnte vom Turm aus ganz leicht das östliche und westliche Ende der Stadt sehen und die Berge, die sie begrenzen, aber keine Chance, das nördliche Ende oder das im Süde auch nur zu erahnen.

 

Nach einem Kaffee in einem der anderen Türme der Basilika ging es dann in ein Schokoladenmuseum mit Verkostung – yay! – und anschließend besichtigten wir noch zwei weitere Kirchen in der Altstadt. Beide auf ihre Weise recht spektakulär: die eine von innen nahezu komplett vergoldete Kirche dient als letzte Ruhestätte für den Präsidenten aus dem 19. Jahrhundert, der in der anderen 1875 den Tod fand, nachdem er vor dem Regierungspalast mit einer Machete aufgeschlitzt und anschließend über den Plaza Grande dorthin getragen wurde.

 

Ein weiteres Highlight dieses Tages war dann aber noch das Treffen am Nachmittag mit zwei Bekannten aus Bensheim. Es war ein so komischer, weil so surrealer, aber auch einfach cooler Moment, als man zu dritt in einem Café saß und sich über Zuhause oder das Internat unterhielt, obwohl man sich noch nie oder schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen hatte, aber nun gemeinsam im Quito war.

 

Das letzte und eigentlich größte Ereignis dieser beiden freien Tage, war dann aber wieder in Ibarra das Päckchen von Mama und Papa öffnen zu können, was L. mir mitgebracht hatte. RitterSport Schokolade und Fotos von Zuhause. Mehr brauche ich eigentlich wirklich nicht, um glücklich zu sein.

 

Aber nicht nur deshalb hoffe ich, dass meine 3 Geburtstags-Päckchen nun endlich bald den Weg hierher zu mir finden. Wenn nicht, habe ich wenigstens etwas, das ich an Weihnachten auspacken kann, während es draußen zwar nicht schneit, aber wahrscheinlich mal wieder in Strömen regnet.